Vae Victis II by Nataly von Eschstruth
Autor:Nataly von Eschstruth [Eschstruth, Nataly von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-07T00:00:00+00:00
Einundzwanzigstes Kapitel.
Ellinor hatte in Begleitung Rolf-Valerians eine kurze Promenade längs des Nilufers gemacht — kürzer, als wie anfänglich beabsichtigt war, denn die blendende Sonne lag heisser als je auf der schattenlosen Landschaft und von der Wüste herüber strichen so schwüle Luftwogen, dass sie Leib und Seele erschlafften und man das Gefühl hatte, ersticken zu müssen.
Frau von Völkern hatte sich, sehr ermüdet, noch einen Augenblick im Garten des Hotels niedergesetzt.
Sie war nicht sehr vorteilhaft angezogen und die Kammerfrau hatte bereits voll hämischer Schadenfreude konstatiert, dass das leichte, bastfarbene Seidenkleid durchaus keine Folie für das nichtssagend blasse Gesicht unter den rötlich blonden Haaren war.
Der Tuff von hellblauen Federn, welche den ebenfalls aus Bastseide gefertigten Riesenhut überwogten, änderte nichts daran, denn sie waren zu fern, um dem Antlitz schmeicheln zu können und die hellblauseidene reiche Kurbelstickerei auf Rock und Taille erzielte keinen besseren Effekt!
Die Baronin war sehr schlechter Laune. Graf Cassarate war wieder seit sechs Tagen unsichtbar und kein Mensch wusste, wohin er seine Schritte gelenkt hatte. Sicherlich wieder Jagdzüge!
Als ob die interessanter und lohnender wären, als ein Verkehr mit ihr! —
Als Bonaventura abgereist war, hatte Nicodemo ihr in geradezu aussergewöhnlicher Weise den Hof gemacht. —
Wie ein Schatten folgte er der jungen Strohwitwe, schier unzertrennlich von ihr, und Ellinor fühlte, wie ihr das Blut immer heisser und heisser zum Herzen strömte, wie es wohl nur noch eine kurze Frage der Zeit sei, bis die Leidenschaft sie übermannt und rettungslos in die Arme dieses Mannes trieb, des einzigen, welcher jemals Gewalt und Einfluss über sie erlangt.
Aber gerade dieses Bewusstsein lässt ihren kalten Stolz noch gegen diesen Herrn und Meister revoltieren!
Sie wehrt sich dagegen, ihm zu unterliegen, sie will den Kampf um die Herrschaft so lange führen, wie möglich, sie will seiner zwingenden Liebe trotzen und ihn ebenso als Sklaven zu ihren Füssen sehn, wie alle andern es zuvor auch gewesen!
Und während die Baronin noch grollend allerhand groteske Schnörkel mit dem Schirm in den Sand zeichnet, fällt ein Schatten über den Weg und Cassarate steht vor ihr. Sie schrickt mit einem leisen Laut freudigster Überraschung empor und vergisst alle spröden Vorsätze.
„Endlich, Graf! endlich zurück!“
Er lächelt und setzt sich neben sie.
„So haben Sie also doch Sehnsucht nach mir gehabt?“
Das bringt sie wieder zu sich.
Gelassen streift sie die Handschuhe aus, ihr Auge blinzelt ihn herausfordernd an.
„Wie man es nehmen will. — Ich wollte Ihnen doch gern Lebewohl sagen!“
Er bleibt ruhig wie ein steinernes Bild.
„Ach — Sie wollen abreisen?“
„Ja!“
„Und warum?“ —
Sie zuckt die Achseln. „Je nun, wir haben morgen den ersten März und ich finde die Temperatur hier wird von Tag zu Tag unerträglicher.“ —
„Gewiss — Sie sind ja kein Kind der Sonne. Und wohin wollen Sie von hier reisen?“
„Ich besprach es soeben mit meinem Bruder und wir kamen überein, dass Meran in Tirol uns als Übergangsstation am sympatischsten sein würde.“
Er blickt starr vor sich nieder. „Meran! Das liegt ganz nahe der schweizerischen Grenze?“ —
„Sozusagen vis-à-vis.“
Er nickt plötzlich sehr befriedigt.
„Recht so; eine vortreffliche Wahl. Von Italien rate ich Ihnen dringend ab. Wir haben ein sehr zeitiges Frühjahr und die Wärme an der Riviera soll schon jetzt abnorm sein.
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